Zur Geschichte von Höchenschwand

Der Friede von Lüneville (1. Januar 1811) brachte keine endgültige Ruhe. 1805 begann der Kampf gegen Oesterreich von neuem. Die Rekruten, ob ledig, ob verheiratet, wurden wie Herden zu den Truppenteilen abgeführt. Oesterreich erlag, und das Kloster St. Blasien kam mit seinem Besitz an Karl Friedrich, von Napoleons Gnaden nunmehr „Großherzog von Baden", mit dem Prädikat „königliche Hoheit".

Noch mancher Schwarzwaldsohn fand seinen Tod in den Heeren Napoleons im Kampfe gegen die deutschen Brüder, noch viele ließen ihr Leben auf den Schnee- und Eisfeldern Rußlands (1812), ehe die Ueberlebenden die Befreier Deutschlands in vielen Zügen über unsere Höhen marschieren sahen. (1814).

Mit der Zeit Napoleons und seinem Ende war bei uns ein gewaltiger Umbruch erfolgt, Das deutsche Reich war nicht mehr, das Stift St. Blasien war aufgehoben, die letzten Mönche, die im Oberlande als greise Pfarrer amteten, starben nach und nach, die Einung und der Zwing und Bann bestanden nicht mehr.

Neue Formen, neue Gesetze, neue Herren regierten im Lande. Kein Wunder war es also, wenn die Salpeterer, die immer stramm am Alten festgehalten hatten, sich nicht sogleich zurecht finden konnten und den neuen kirchlichen und weltlichen Behörden kein Vertrauen entgegenbrachten. Noch bis ins Jahr 1833 hinein hatten diese schwere Mühe, das harte Völklein zufrieden zu stellen. Höchenschwand hatte an diesen Unruhen keinen Anteil genommen, blieb aber keineswegs unberührt davon. Die Salpetererideen spuckten da und dort in den Köpfen herum.

Von der Revolutionsbewegung 1848 blieb unsere Höhe auch nicht unberührt. Auf ihrem Marsche von Konstanz her (Abmarsch 15. April) lagerte die Sigelsche Kolonne der „Seehasen" in Höchenschwand, und offenbare Strolche vom Berge wie z. B. der Posträuber und Wilderer „Lochheiri" schlössen sich ihr sofort an. Auch die Bürgermeister von Tiefenhäusern und Höchenschwand, Simon Ebner und Sales Probst, sowie Pfarrer Scherer arbeiteten für die Revolution. Ein Freiheitsbaum wurde vor dem Pfarrhause errichtet, und einige besondere Heißsporne machten sich auf den Weg, um den Amtmann in St. Blasien in ihre Gewalt zu bekommen. Alles aber blieb ohne Erfolg, wie es bei der Planlosigkeit der Führer garnicht anders zu erwarten war. Schon am Karfreitag sahen v/ürttemberger Truppen in Höchenschwand nach dem Rechten. Pfarrer Scherer hielt sich im Schulhaus zu Attlisberg verborgen und durfte erst auf Verwenden der Gemeinde wieder zurückkehren. Die genannten Bürgermeister wurden abgesetzt, andere Uebeltäter sonst bestraft.

Bei Ausbruch des Krieges 1870 lebten die Bewohner unserer Höhe zunächst in Unruhe. Sie hatten die Franzosenzeit nicht vergessen. Aber bald fühlten sie sich sicher, als im August einzelne Kompanien des 6. württembergischen Infanterieregiments in Höchenschwand und den benachbarten Gemeinden an der Landstraße einquartiert wurden, und als dann das ganze Regiment durch seine Märsche den Franzosen vortäuschte, als wäre unsere Südwestecke mit starken Truppenteilen besetzt. Der glorreiche Erfolg des Krieges 1870/71 brachte endlich auch unserer Heimat Jahrzehnte der Ruhe und friedlicher Entwicklung auf die Jahrhunderte innerer und äußerer Kämpfe.
Redlich hatten sich die jeweils zuständigen Behörden in den schweren Zeiten bemüht, den Nöten der Bevölkerung abzuhelfen. Die obenerwähnten Fonds konnten in Höchenschwand wie auch in Amrigschwand, Tiefenhäusern viel Gutes leisten und haben mit der Zeit ein schönes Vermögen dargestellt.

Nach der Aufhebung des Klosters gab die badische Regierung besondere Anweisung und Unterstützung zur Hebung des Wohlstandes, so für Flachsbau, Anpflanzung der „Grumbirn", Rüben und Kohlarten (1816).

Die Obstbaumzucht wurde empfohlen, in  den  Schulen  wurden  die   Mädchen  im  Spinnen,   Stricken und Nähen unterwiesen und damit der Grund gelegt zu den Industrieschulen der 50er Jahre.

Der Unterricht in den Elementarschulen, die zu Klosterszeiten nur Winterschulen gewesen waren, wurde erweitert  durch Sonntagschulen, welche die jungen Leute bis zum 20. Lebensjahre besuchen mußten. 

Von 1805 an wurde auch im Sommer unterrichtet. Auch für gediegenere Vorbildung und wirtschaftliche  Besserstellung der Lehrer wurde Sorge getragen. Außerdem wurden arme Kinder in den Schulen gespeist. Solche waren damals auf dem Berg in Höchenschwand, Amrigschwand und Oberweschnegg. Die Schulhäuser aber ließen viel zu wünschen  übrig. Man verschob den Bau immer wieder auf bessere Zeiten, und vielerorts wurde der  Unterricht  noch  lange in  einer  Privatstube gegeben. Großes Verdienst erwarb sich um die Hebung des Schulwesens  in  unserer Gegend Dekan Schwarzweber von St. Blasien. In den 40er Jahren mußte die Regierung  viel Not lindern. Dies regte sie an, neue Erwerbsquellen zu eröffnen. So führte sie die Strohflechterei ein, und 1850 wurde in  Höchenschwand eine Strohflechtschule errichtet.

Johann Kaiser (gestorben 1870)  besorgte den Absatz  der Geflechte auf eigene Kosten. Diese Musterschule versah die Gemeinden des südlichen Schwarzwaldes mit Lehrerinnen in diesem Industriezweig, und so hob sich die Fabrikation immer mehr. Neue Erwerbsquellen waren um so notwendiger, als alte immer mehr versiegten. Früher hatten sich z. B. manche durch Abharzen der Wälder ein kleines Vermögen erworben oder als Nagelschmiede,  als  Schnitzer von Holzgeschirren u. a. lohnende Arbeit gehabt.

1866 erbaute Adolf Kaiser, Sohn des Johann Kaiser, eine Strohhutfabrik, in der viele Bewohner des Berges Verdienst fanden.
Von 1870 an zeigt sich deutlich ein Aufschwung in der Entwicklung des Dorfes. Eine für den kleinen Platz starke Bautätigkeit begann 1873 mit dem Bau des Hotels durch Augustin Maier. Das Hotel wurde erbaut an Stelle des niedergebrannten Gasthauses „Zum Ochsen". Dieses war 1648 vom Kloster St. Blasien erbaut und einem alten Reitknecht des Klosters namens Maier übergeben worden. In den 70er, 80er und 90er Jahren entstanden etwa 8 neue Häuser. Außerdem wurde 1893/94 die alte, 1643 erbaute Kirche abgerissen (nur der Turm und der Chor blieben stehen), und das heute stehende Gotteshaus vom bad. Staate errichtet. Im neuen Jahrhundert kamen etwa 9 neue Bauten hinzu, wie auch manches alte Haus erneuert und erweitert wurde (Hirschen, Schulhaus). Der Fortschritt zeigte sich auch in der handwerklichen Tätigkeit.

1888 gründete Erhard Geng ein Dachdeckergeschäft, das bald einenguten Namen hatte im Lande ringsum. Im Jahre 1900 und nachher folgten unternehmungslustige, tüchtige junge Männer als Schmiede, Schreiner, Maler, Mechaniker, Zimmerleute, Sattler, Friseure, Kaufleute (Kaufhaus Schmidt) und Gastwirte (Alpenblick). Auch zwei Schuhhandlungen hat das Dorf aufzuweisen.

Stark geändert wurde das Dorfbild durch neue Bauten für abgebrannte Höfe, die oft 2 und 3 Familien beherbergten. Von 1875—1930 brannten etwa 14 Anwesen nieder, darunter auch das Hotel und das Gasthaus „Zur Krone". Alle erstanden wieder neu und zwar vielfach in getrennter Anlage. So bauten die Bewohner der 1875 abgebrannten sogenannten „Arche" drei einzelne Anwesen (heute Baldischweiler, Kaiser und Graß). In neuester Zeit wurden erbaut „Haus Höhensonne", der Neubau zum „Sonnenhof", zu dem die Strohhutfabrik ausgebaut worden war, und das Haus „Heimatliebe". Dieses ist ein rechtes Schmuckkästchen des Dorfes geworden. Es wurde erstellt von unserer bejahrten, aber gleichwohl sehr lebensfrischen Landsmännin Frau Berta Schmidt aus New York in treuer Liebe zur Heimat ihrer Eltern.

Mit den Neubauten verschwanden die alten Stroh- und Schindeldächer fast im ganzen Dorf, und das helle Rot der Ziegel oder das Grau der Schieferplatten deckt heute die Dächer. Auch gemeinnützige Anlagen wurden gefördert im Dorfe. Unter Bürgermeister Vogelbacher erstand 1903 eine Wasserleitung, die 1926 und 1933 - 35 erweitert wurde. 1920 folgte elektrisches Licht und elektrische Kraft. 1904 und 1927 wurde das Schulhaus umgebaut und erweitert, so daß es modernen unterrichtlichen Anforderungen gerecht werden kann. Wirtschaftliche Mißerfolge, wie der Eingang der Strohhutfabrik, konnten weiteres Gedeihen der Dorfgemeinde nicht hemmen. Der ständig wachsende Fremdenverkehr brachte vollen Ersatz. Das Höchenschwander Hotel und die Gasthäuser und Pensionen im Orte haben einen guten Namen im deutschen Lande.

Die Gemeinde und der seit 1923 wieder bestehende Kurverein bemühen sich ebenfalls, ihr Bestes zu tun. Die Anlage eines Sonnen- und Schwimmbades, der gute Zustand der Spazierwege beweisen dies. Auch das gesellschaftliche Leben im Dorfe ist sehr rege. Es besteht ein Gesangverein, ein Skiklub und ein Sportverein. Zielbewußt und energisch wird in diesen Vereinen gearbeitet. Die Höchenschwander Sprungschanze und der Sportplatz legen Zeugnis davon ab. Auf letzterem bewegen sich nicht nur die Fußballspieler, sondern auch die Abteilungen der SA und der Hitlerjugend. Eifrig arbeiten die jungen an ihrer körperlichen Ertüchtigung, um, sollte es je nötig werden, würdig zu sein ihrer im großen Krieg gefallenen Väter und Brüder.

13 junge Männer mußte die Gemeinde im Kriege opfern, darunter 7 Familienväter. 4 Söhne und Brüder allein beklagte die Familie Erhard Geng, und je 2 der teuren Toten gehörten 2 anderen Familien an. In der ganzen Pfarrgemeinde fielen 68 Mann. Das Denkmal im Friedhof an der Ecke des Kirchturms nennt ihre Namen. „Vergiß, mein Volk, die teuren Toten nicht!"

Weithin klingt heute der Name Höchenschwand. Ein berühmter Kurort steht heute auf der Höhe, auf der einst ein einfacher, einsamer Kulturpionier mit den Rodungsarbeiten begann. Aus dem ersten Hofe, welcher offenbar ostwärts vom ehemaligen Meßnergut stand, - dieses letztere bewirtschafteten durch Generationen als Zinsleute des Klosters St. Blasien und später als Eigentümer Bauern aus der Familie Geng bis auf den heutigen Tag - erwuchsen zunächst 4 andere Höfe mit den Namen Hasler-, Wiwäni-, Wirts- und Oberer Hof. In zäher Arbeit rodeten die Nachfahren der ersten Kolonisten weiter als echte Söhne alemannischer und zum Teil in unserer Heimat bodenständig gebliebener römischer, keltischer und wohl auch fränkischer, mit der Scholle verwachsener Bauern, deren Namen, wie Ebner, Kaiser, Tröndle, auf unserem Berggebiet schon im 13. Jahrhundert guten Klang hatten. Trotz kärglichem Ertrag des Bodens blieben sie ihm treu, und in verhältnismäßig kurzer Zeit zierte in einer Höhenlage von 1015 m ein echtes Bauerndorf den Höchenschwander Berg.

Was Bauernfleiß der wachsenden Bevölkerung nicht bieten konnte, ersetzte anderweitig gesuchte, in christlich gläubigem Sinne geleistete, oft harte Arbeit. Der Wälder verließ nur ungern seine Heimat, und so arbeitete er lieber als Holzhauer, als Säger, als Fuhrmann, als Maurer, Zimmermann, als Aschenbrenner, Besenbinder, Köhler und Harzer. Er zog das bescheidene Einkommen eines Waidmannes und Hegers der klösterlichen Wildbanne und Fischwasser besserem Verdienst fern der Heimat vor.

Trotz bescheidener Lebensführung blieb er aber doch ein selbstbewußter, seiner Vorfahren würdiger Mann. Mutig, und wenn es sein mußte, trotzig und verbissen, kämpfte er um sein Recht und seine Menschenwürde. Die Freiheit seiner Berge verlangte das von ihm, wie auch deren ganze Natur sich in seinem Charakter, in Sprache und Brauchtum widerspiegelt. Der Wälder ist rauh und herb, er ist karg mit seinem Wort und stät im Handeln, aber das alles ist nur die Kehrseite von Herzenswärme und sonnigem Gemüt, genau so wie über seiner Heimat die strahlende Sonne am blauen Himmel lacht, und linde Lüfte seine stolzen Tannen küssen.

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